Ein besonderes Beteiligungsmodell in Angermünde

Schule bekommt Windrad: Symbolischer Spatenstich mit Kathrin Schalitz, Jenny Kluge, Johannes Herzog, Ian Lauzening, Axel Kalhorn und Jan Teut (v.l.n.r.). © Ronald Mundzeck, Altstadtstudio Angermünde

Windkraft hilft Schule

Ein besonderes Beteiligungsmodell in Angermünde

Angermünde ist ein hübsches Städtchen im Herzen der Uckermark, mit einem liebevoll restaurierten historischen Stadtkern. Noch konnten allerdings nicht alle Gebäude wiederhergestellt werden. Dass bald die letzte Sanierungslücke am zentralen Kirchplatz geschlossen werden kann, ist einem Windparkprojekt vor den Toren der Stadt, einer engagierten Schule in freier Trägerschaft und einem Projektentwickler zu verdanken.

Doch der Reihe nach. Nach der Jahrtausendwende fehlte der Angermünder Stadtverwaltung eine passende Nutzung für zwei leerstehende denkmalgeschützte Schulgebäude. Einem Gebäude drohte bereits der Abriss. Gleichzeitig suchte die benachbarte Freie Schule nach einem neuen Schulgebäude. „Wir haben damals eine erste Instandsetzung durchgeführt und sind mit unserer Grundschule eingezogen“, berichtet Axel Kalhorn vom Schulvorstand. Inzwischen saniert der Schulträger mit Fördermitteln von EU und Land den Standort gründlich, um dort seine Bildungseinrichtungen langfristig zusammenzuführen. Größte Herausforderung sind die Eigenmittel, die der Angermünder Elternverein dafür erwirtschaften muss.

Windkraft-Beteiligung ermöglicht EU-Förderung

Auf der Suche nach einer zuverlässigen Einkommensquelle kam Axel Kalhorn die Idee, Projektentwickler Jan Teut nach einer Beteiligung an einem Windparkprojekt zu fragen. In der Nachbargemeinde Kerkow plante dessen Unternehmen, sechs alte Windenergieanlagen durch zwei moderne Turbinen zu ersetzen. „Wir haben dann sehr schnell den Plan entwickelt, eine gemeinsame Betreibergesellschaft zu gründen, an der der Trägerverein und die Teut GmbH jeweils 50 Prozent halten“, sagt Kalhorn.

Beide Partner brachten die Hälfte des notwendigen Gesellschafteranteils von 25.000 Euro ein, die Bank ermöglichte „eine fast 100prozentige Finanzierung“, wie Jan Teut sagt. Die Sicherheit, dass die 5,7-Megawatt-Anlage in den kommenden 20 Jahren an dem gut bekannten Standort ausreichend Windstrom erzeugt, reichte den Kreditgebern. „Wir mussten deshalb kein zusätzliches Eigenkapital einbringen“, so Kalhorn. Und so wird, wenn die Anlage ab Sommer steht, jedes Jahr eine fünfstellige Summe an die Schule fließen, mit der diese wiederum den Kredit für die Sanierung des Schulstandortes bedienen kann.

Die Schüler haben schon ein Modell-Windrad gebaut. © Ronald Mundzeck, Altstadtstudio Angermünde.

Doch natürlich musste auch Überzeugungsarbeit an der Schule geleistet werden. „Nicht jeder ist im Thema und unsere Aufgabe war zu vermitteln, dass die Schule kein Risiko eingeht“, sagt der Schulvorstand, der mit Teut gemeinsam die Geschäftsführung der Beteiligungsgesellschaft bildet. Auch dass ein Investor jedes Jahr auf die Hälfte der Erlöse verzichtet, war für viele nicht leicht zu glauben.

Jan Teut: Der Region etwas zurückgeben

Doch Jan Teut sieht sich nicht als selbstlosen Wohltäter. Zum einen verdiene er über die Projektentwicklung und den Service. Aber er fühlt sich auch den Gemeinden verpflichtet. „Ich habe mit meiner Arbeit den Landkreis verändert“, sagt er. Windenergieanlagen mit rund 80 Megawatt Leistung betreibt sein Unternehmen, die meisten in Brandenburg, viele davon in der Uckermark. „Ich wollte etwas zurückgeben.“ Die Idee mit der direkten Beteiligung der Schule habe ihn überzeugt. „Es ist sichtbar, wohin das Geld aus der Windenergieanlage fließt.“

Das war auch für die Schule wichtig. „Wir sind ein gemeinnütziger Verein und müssen das Geld für den Vereinszweck – also den Betrieb der Schule – verwenden“, betont Kalhorn. Er könne sich gut vorstellen, dass die Idee auch in anderen freien Schulen umsetzbar ist. „Schulen wie unsere mit einer geringen Schülerzahl sind, zumindest in Brandenburg, strukturell unterfinanziert.“ Eine zusätzliche Einnahme, die über 20 Jahre verlässlich kommt, sei hochwillkommen. „Da sind die großen Unternehmen im Land Brandenburg noch viel stärker gefordert.“

„Es ist ein Projekt, bei dem alle gewinnen. Die Schule, weil wir das Gebäude sanieren können, und die Stadt, weil das innerstädtische Quartier dann komplett saniert ist und die Betreibergesellschaft Gewerbesteuern zahlt.“

Axel Kalhorn

Das brandenburgische Windenergieanlagenabgabengesetz schreibt zudem vor, dass die Kommunen im Umkreis von drei Kilometern jährlich insgesamt 10.000 Euro erhalten. Dazu kommt die Beteiligungsmöglichkeit über das Erneuerbare-Energien-Gesetz: Gemeinden im Umkreis von 2,5 Kilometern können anteilig 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde bekommen.

Windenergie wird Schulfach

Nicht zuletzt gewinnen auch die Kinder. Die Schule will die Windenergieanlage aktiv ins Schulleben einbeziehen. Bei der Grundsteinlegung wurde schon eine kleine von Schülern gebaute Anlage aufgestellt. Wenn die große Turbine im Sommer errichtet ist, soll es eine Namenssuche und ein Tauf-Fest geben, kündigen Teut und Kalhorn an. „Wir werden dann die Betreiber GmbH entsprechend umbenennen – noch heißt sie ganz profan Kerkow Welsow WEA 9 GmbH.“ Auch im Unterricht will die Schule dieses Projekt nutzen. „Wir haben ein Projekt zur Windkraft und können anhand unseres eigenen Windrades künftig anschaulich Wissen vermitteln über die Kraft des Windes, erneuerbare Energie, Klimawandel, Stromerzeugung, physikalische Prozesse und vieles mehr“, sagt Kalhorn. Die Kinder hätten keine Berührungsängste. In Gegenteil: Sie haben bereits ausgerechnet, dass ihre Windenergieanlage genug Strom erzeugt, um halb Angermünde zu versorgen.

Relevante Beiträge