Position – 14. Juni 2023
Gemeinsame Stellungnahme von BWE und BDEW
Stellungnahme zum Artenschutzerlass (§§ 45b bis 45 d BNatSchG)
Die Energieverbände BWE und BDEW bedanken sich für den konstruktiven Beteiligungsprozess, welcher dem Erlassentwurf vom November 2022 folgte. Der Erlassentwurf wurde im Vergleich zum Ausgangsentwurf vom 21.11.2022 insbesondere mit Blick auf die bundesrechtlichen Vorgaben wesentlich verbessert und auch hinsichtlich der landesspezifischen Vorgaben grundlegend überarbeitet:
- Zum Beispiel sind in den Artensteckbriefen für die 15 “Bundesarten” die Differenzen zum Bundesrecht größtenteils behoben und vom bundesrecht abweichende Empfehlungen (z.B. zur RNA, zum Repowering und zur Zumutbarkeitsschwelle) wurden zurückgenommen. Zudem wurde der Vorrang des Bundesrechts auch im Hinblick auf künftige Entwicklungen klargestellt.
- Die übersichtlichen und leicht lesbaren Artensteckbriefen spiegeln nunmehr die Intention des Bundesgesetzgebers für die BNatSchG-Novelle in den wesentlichen Ansätzen wider.
Im Hinblick auf die energie- und klimapolitischen Anforderungen im Land Brandenburg ist beachtlich, dass der Strommarkt künftig weit flexibler agieren muss, um die Versorgungssicherheit an Industriestandorten zu gewährleisten. Dem stehen artenschutzrechtliche Abschalterfordernisse der WEA gegenüber:
- Temporäre Nacht-Abschaltungen der WEA zum Schutz von kollisionsgefährdeten Fledermausarten in warmen Sommernächten werden bundesweit angeordnet. Die brandenburgische Vorlage für Abschaltung bei Windgeschwindigkeiten unterhalb von 6,5 m/s (bisher unterhalb 5m/s) verringert drastisch die Energieproduktion, gerade auch in Nächten mit relativ hohem Energiebedarf.
- Temporäre Tag-Abschaltungen der WEA zum Schutz von kollisionsgefährdeten Vogelarten werden ebenfalls bundesweit und ggf. gleichzeitig umgesetzt. Der Verlust bei der Stromproduktion wird an grauen Tagen nicht durch Freiflächen-PV-Anlagen ausgeglichen.
In Brandenburg sind für die eigenen Industriestandorte aber auch um Energieerzeugungsland zu bleiben umfassende Investitionen in die Wasserstofferzeugung geplant. Elektrolyseure können jedoch nur wirtschaftlich betrieben werden, wenn sie sehr gleichmäßig mit ausreichend erneuerbarem Strom versorgt werden. Ansonsten ist der Aufbau einer Wasserstofferzeugung in absehbarer Zeit bzw. unter den aktuellen Bedingungen nicht umsetzbar.
Die wichtigsten jetzt noch fehlenden notwendigen Anpassungen:
Essenzieller Änderungsbedarf besteht hinsichtlich der Abstandsvorgaben für bestimmte Landesarten sowie hinsichtlich Fledermaus-Abschaltzeiten und Fledermaus-CEF-Maßnahmen
- Erkenntnisse über fehlende Meidung bei der Brutplatzwahl von Rohr- und Zwergdommel sowie Kranich angemessen abbilden: langjähriges, fundiertes Fachwissen über die Brutplatzwahl dieser Arten in der Nähe von WEA muss sich in einer Korrektur der Prüfradien bzw. deren Wegfall niederschlagen.
- Flächenrelevante Änderungen, die artenschutzfachlich möglich sind und im Einklang mit dem Bundesrecht nach §44 BNatSchG stehen: dies betrifft u.a. die gewählten Abstandsradien zu Großtrappen-Gebieten in ihren verschiedenen Kategorien, die regionalplanerisch gravierend sind und in Genehmigungsverfahren massiv verzögernd wirken können. Zu erwarten sind auch abschlägige Genehmigungsbescheide, die erwartbar beklagt werden. Obwohl wissenschaftlich maximal 1.200 m weite Meideabstände von Großtrappen zu WEA festgestellt wurden, ist der Puffer um die Brutgebiete 3.000 m weit gefasst. Hinzukommen als essenziell bezeichnete Wanderkorridore.
- Größe der zentralen Prüfbereiche bei Rastvögeln korrigieren: Der zentrale Prüfbereich um große Kranichschlafplätze (> 20.000 Individuen) ist dem der Gänse anzugleichen (maximal 5 km statt 10 km Prüfradius). Zusätzlich wird vorgeschlagen, innerhalb des Prüfradius auf die Schutzkategorie SPA zu fokussieren.
- Abschaltparameter zum Schutz von kollisionsgefährdeten Fledermäusen sowie CEF-Optionen bei Quartiersverlusten korrigieren: eine Abschaltung bis < 6,0 m/s ist artenschutzfachlich ausreichend und angemessen; auch z.B. Kastenquartiere werden nachweislich angenommen.
- Artenschutzrechtliche Ausnahme: Durch die viel zu niedrige Schwellenwertsetzung wird ein günstiger Erhaltungszustand der Population regelmäßig nicht nachzuweisen und damit eine Ausnahmevoraussetzung nicht gegeben sein. Der Vorhabenträger muss für die Erteilung einer Ausnahme damit grundsätzlich FCS-Maßnahmen vor Ort durchführen oder nachweisen, dass derartige Maßnahmen nicht möglich sind. Damit wird es regelmäßig zu massiven Verfahrensverzögerungen kommen, die ebenso regelmäßig dem Ziel einer Verfahrensbeschleunigung stark entgegenstehen werde
Es sind Konkretisierungen bezüglich Habitatpotenzialanalyse sowie Raumnutzungsanalyse erforderlich
- Habitatpotenzialanalyse (HPA): Nach BNatSchG-Novelle war ein Konzept für eine bundeseinheitliche HPA bis 12.2022 vorzulegen. Diese Frist ist ergebnislos verstrichen und bis zum Erlass der angekündigten Rechtsverordnung ist eine Interimslösung erforderlich, die sich am Entschließungsantrag orientiert.
- Erfassungs- und Bewertungsvorgaben für die RNA sollten zeitnah in den Erlass aufgenommen werden, da für die behördliche Prüfung anderenfalls kein Bewertungsrahmen existiert.
Sehr zeitnah sind Konkretisierungen im Erlass hinsichtlich der Gestaltung von Schutzmaßnahmen erforderlich.
- Anforderungen an Schutzmaßnahmen korrigieren und praktikabel gestalten: Es fehlen z.B. Konkretisierungen der Maßnahmen Mastfußgestaltung und Ausweichnahrungshabitate. Anderenfalls werden Vorhabenträger immer die Abschaltungen als Schutzmaßnahmen wählen (müssen), was zu einer erheblich reduzierten und ungleichmäßigen Stromproduktion führt.
Von übergeordneter Bedeutung ist ein entsprechender Erlass zum Umgang mit den BNatSchG-Anforderungen auf Planungsebene:
- Inhaltlich ist bei dessen Gestaltung zu beachten, dass jedenfalls der zentrale und der erweiterte Prüfbereich des BNatSchG für die Planungsebene keine Bedeutung haben. Bei Standorten von Windenergieanlagen in diesen Bereichen können etwaig für die Tiere bestehende Risiken durch Schutzmaßnahmen bewältigt werden. Werden die bereits in den früheren Regionalplänen ausgewiesenen Gebiete nachträglich durch ein „Herausschneiden“ der Bereiche reduziert, drohen viele weit fortgeschrittene Projekte verloren zu gehen, ohne dass dadurch artenschutzfachlich Vorteile zu erwarten sind.
- Ein solcher Erlass muss zeitnah Klarheit schaffen, da sich sonst die Planaufstellungsverfahren in Brandenburg weiter verzögern. Genehmigungsbehörden und Vorhabenträger benötigen wegen den mit der Gebietsausweisung verbundenen Wechselwirkungen zu artenschutzrechtlichen Anforderungen (z.B. zu Standortalternativen bei der Ausnahme) und anderen fachgesetzlichen Anforderungen (z.B. im BauGB) Klarheit hinsichtlich der Gebietsausweisung.
Die vollständige Stellungnahme mit unseren Anmerkungen im Detail finden unter “Downloads”