FAQ „Vorbescheide für die Windenergie“

FAQ „Vorbescheide für die Windenergie“
( +++ Aktualisierung zu diesem Beitrag: Am 28. Februar hat das Land Brandenburg zum Thema „Vorbescheide“ folgenden Erlass veröffentlicht: Erlass zur Auslegung § 9 Absatz 1 a Satz 2 BImSchG +++ )
Aktuell erreichen den Landesverband Erneuerbare Energien Berlin Brandenburg verstärkt Anfragen zum Thema „Vorbescheide“. Nachfolgend fassen wir die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen und beleuchten Ziele und Hintergründe.
Anlass ist die mögliche Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die am 31. Januar 2025 im Bundestag beschlossen wurde. Sie sieht vor, dass für neue Windenergieanlagen, die außerhalb von ausgewiesenen oder geplanten regionalen Windenergiegebieten beantragt werden, keine Vorbescheide mehr erteilt werden sollen. Dies ist aktuell möglich, sofern sich Kommunen und Betreiber bzw. Vorhabenträger im Rahmen einer Bauleitplanung und auf Basis der bestehenden Gesetze und Verordnungen darauf verständigen.
In Brandenburg sind derzeit in zwei der fünf Planungsregionen rechtsverbindliche Windenergiegebiete ausgewiesen. Hier wäre der Fall nach dem neuen Gesetz ohnehin klar: Nur noch dort dürften Anlagen genehmigt werden. Umstritten ist, was die Gesetzesänderung für die drei anderen Planungsregionen bedeuten würde, in denen sich die Pläne aktuell noch in der öffentlichen Beteiligung bzw. Bewertung befinden.
Ein behaupteter „Wildwuchs“ von Windenergieanlagen war und ist in keinem Fall zu befürchten.
Wie wird in Brandenburg der Ausweis der Windenergie gesteuert?
In Brandenburg gibt es fünf regionale Planungsgemeinschaften, die für die räumliche Entwicklung und Regionalplanung in ihren jeweiligen Gebieten zuständig sind. Diese Planungsgemeinschaften sind: Regionale Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim (Landkreise Uckermark und Barnim), Regionale Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel (Landkreise Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Oberhavel), Regionale Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming (Gebiet: Landkreise Havelland, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und die kreisfreie Stadt Brandenburg an der Havel), Regionale Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald (Landkreise Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße, Dahme-Spreewald, Elbe-Elster und die kreisfreie Stadt Cottbus), Regionale Planungsgemeinschaft Oderland-Spree (Gebiet: Landkreise Märkisch-Oderland, Oder-Spree und die kreisfreie Stadt Frankfurt/Oder).
Zu den Aufgaben einer Regionalen Planungsgemeinschaft gehört die Erarbeitung und Fortschreibung der Regionalpläne (u.a. die Ausweisung von Windvorranggebieten), die Abstimmung der Raumordnung mit den Kommunen, die Sicherstellung einer nachhaltigen räumlichen Entwicklung und die Förderung von Wirtschaft, Infrastruktur und Umweltmaßnahmen.
Wer beschließt in der Regionalen Planungsgemeinschaft?
Die Aufgaben und Vertretungen der Regionalen Planungsgemeinschaften regelt das Gesetz zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung (RegBkPIG). Demnach ist die Regionalversammlung das höchste beschlussfassende Organ jeder Regionalen Planungsgemeinschaft in Brandenburg. Sie besteht aus Regionalräten und Regionalrätinnen und weiteren Vertretungspersonen. Regionalräte und Regionalrätinnen sind Vertretungen der Landkreise und kreisfreien Städte der jeweiligen Planungsregion sowie Vertretungen von Gemeinden. Gemeinden und Ämter, die mehr als 5.000 Einwohnerinnen und Einwohner haben, dürfen eine Vertretung entsenden. Laut Gesetz soll die Regionalversammlung nicht größer als 70 Personen sein.
Wer ist für einen Ausbau der Windenergie verantwortlich?
Seit dem 1. Februar 2023 gibt es ein verbindliches Zwei-Prozent-Flächenziel für die Nutzung der Windenergie in Deutschland (Gesetz zur Festlegung von Flächenbedarfen für Windenergieanlagen an Land -Windenergieflächenbedarfsgesetz – WindBG). Jedes Bundesland ist demnach verpflichtet, einen bestimmten Anteil seiner Landesfläche für die Windenergienutzung zur Verfügung zu stellen. Gemäß diesem Gesetz ist Brandenburg verpflichtet bis 2027 1,8 Prozent und bis 2032 2,2 Prozent seiner Landesfläche für die Windenergie auszuweisen (Gesetz zur Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes – Brandenburgisches Flächenzielgesetz – BbgFzG).
Auf dieser Grundlage erarbeiten die Regionalen Planungsgemeinschaften einen Regionalplan zur Steuerung der Windenergie, der im Rahmen einer umfänglichen öffentlichen Beteiligung nochmals bewertet wird. Letztendlich obliegt es den Regionalversammlungen der Planungsgemeinschaften einen rechtssicheren Plan zu verabschieden. Der beschlossene Plan bedarf vor Erlangen der Rechtswirksamkeit der Genehmigung durch die Gemeinsame Landesplanung (GL) und wird anschließend im Amtsblatt des Landes Brandenburg veröffentlicht.
Die Regionalen Planungsgemeinschaften Uckermark-Barnim und Havelland-Fläming haben bereits im September 2024 einen rechtsverbindlichen Regionalplan veröffentlicht. Die Pläne der weiteren Regionalen Planungsgemeinschaften befinden sich in der öffentlichen Beteiligung bzw. werden auf der Grundlage derer bewertet.
Darf Windenergie nur in den ausgewiesenen Windvorranggebieten gebaut werden?
Nein. Durch Änderung der Gesetzeslage und die Umstellung von Windeignungsgebieten auf Windvorranggebieten sind Windenergieanlagen gemäß §35 Abs. 1 Nr. 5 Baugesetzbuch im Außenbereich privilegiert. Das bedeutet, dass Windenergieanlagen vorrangig dort errichtet und betrieben werden sollen. Diese Privilegierung gilt bis zum in Kraft treten eines Regionalplans. Nach Erreichen der Flächenziele des WindBG im jeweiligen Bundesland erlischt die oben genannte Privilegierung (§35 BauGB).
Darüber hinaus hat der Bundesgesetzgeber eine Gemeindeöffnungsklausel im § 254e Absatz 5 BauGB geschaffen. Die seit Mitte Januar geltende Regelung ermöglicht es Kommunen, unter bestimmten Voraussetzungen eigenständig der Windenergie Flächen durch kommunale Bauleitplanung zur Verfügung zu stellen. Das Instrument ist dazu geeignet, den Ausbau der Windenergie und die Dekarbonisierung der Industriestandorte in den Kommunen zu beschleunigen.
Nutzen die Vorhabenträger Gesetzeslücken, um einen Vorbescheid zu beantragen oder beruhen diese auf gesetzlichen Grundlagen?
Vorhabenträger müssen keine Gesetzeslücke suchen, sondern nutzen ausschließlich die gesetzlichen Möglichkeiten, die der Gesetzgeber zur Verfügung stellt. Die gesetzliche Grundlage für Vorbescheide zur Windenergie ergibt sich aus mehreren Gesetzen und Verordnungen (Bundesimmissionsschutzgesetz, Baugesetzbuch, Landesplanung und Regionales Planungsrecht).
Warum haben die Gesetzgeber die Möglichkeit von Vorbescheiden geschaffen?
Das A und O von wirtschaftlichen Projekten ist die Planungssicherheit. Aufgrund fehlender Regionalpläne in Brandenburg wurde und wird in einigen Regionen mit Hilfe der Privilegierung der Windenergie geplant. Dafür sind umfängliche Gutachten und Unterlagen einzureichen. Im schlechtesten Fall wird dem Vorhabenträger im Genehmigungsverfahren das Projekt versagt. Viel Zeit, Arbeit und Finanzen wurden bis dahin eingesetzt. Ein Vorbescheid bietet die Möglichkeit frühzeitig einzelne Fragen einer Genehmigung zu klären. Ein Beispiel: Ein Vorhabenträger möchte in der Nähe eines militärischen Geländes einen Windenergieanlage erreichten. Die Frage, die im Antrag zum Vorbescheid gestellt werden könnte, lautet dann „Stehen der Errichtung einer Windenergieanlage militärische Belange entgegen?“
Ist mit dem Vorbescheid bereits eine Genehmigung ausgesprochen?
Nein. Der Vorbescheid ist hinsichtlich der Fragestellung rechtsverbindlich, aber noch keine endgültige Genehmigung – diese erfolgt durch den immissionsschutzrechtlichen Hauptbescheid. Trotz eines Vorbescheides muss weiterhin ein vollständiges Genehmigungsverfahren geführt werden. Deren Bearbeitung dauert zuweilen 3 Jahre und es muss davon ausgegangenen werden, dass maximal 10 Prozent der Vorbescheide überhaupt genehmigt werden.
Wer genehmigt den Antrag auf Vorbescheid?
Das Landesamt für Umwelt (LfU) des Landes Brandenburg ist die Genehmigungsbehörde. Das LfU muss innerhalb von 3 Monaten nach Vorliegen der vollständigen Unterlagen entscheiden haben (§ 10 BImSchG). Die Frist kann einmal um bis zu 3 Monate begründet verlängert werden. Ein Vorbescheid ist in der Regel 3 – 5 Jahre gültig.
Es ist immer wieder zu vernehmen, dass es „Wildwuchs“ bezüglich des Ausbauaus der Windenergie gäbe. Ist dem so?
Nein. Der Vorwurf des Wildwuchses suggeriert, dass es einen unkontrollierten Ausbau der Windenergie gäbe. Das ist aber falsch.
Der Ausbau der Windenergie beruht grundsätzlich auf den steuernden Elementen der Regionalplanung. Gibt es keine rechtsverbindlichen Regionalpläne, so beruft man sich auf die Privilegierung im Außenbereich durch das Baugesetzbuch (§ 35 BauGB). Mindestabstände zu Wohngebieten, denkmalschutztechnische Belange sowie Umwelt- und Naturschutzanforderungen steuern den Ausbau der Windenergie weiterhin.
Die Möglichkeiten zur Beantragung eines Vorbescheides wurden in einer der letzten Sitzungen des Bundestages wieder eingeschränkt. Was bedeutet dies?
Der Bundestag hat auf Antrag der CDU/CSU Fraktion in einer seiner letzten Sitzungen das Gesetz für mehr Steuerung und Akzeptanz beim Windenergieausbau und zur Beschleunigung des Wohnungsbaus beschlossen. Dieses Gesetz ändert das BImSchG in der Art und Weise, dass Vorbeschiede nicht mehr zu entscheiden sind, wenn der Vorhabenstandort außerhalb von ausgewiesenen Windenergiegebieten oder in Aufstellung befindlichen Windenergiegebieten liegt.
Wann tritt das Gesetz in Kraft?
Am 31.01.2025 hat der Bundestag das Gesetz abschließend beraten und beschlossen. Das Gesetz wird nun an den Bundesrat überwiesen, der das Gesetz am 14.02.2025 berät. Es ist davon auszugehen, dass die Länder dem Gesetz zustimmen. Nachdem ein Gesetz vom Bundespräsidenten ausgefertigt wurde, wird es anschließend im Bundesgesetzblatt (Artikel 82 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz) veröffentlicht und damit verkündet. Mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt tritt das Gesetz in Kraft.
Sind jetzt alle Vorbescheide ungültig?
Nein. Auch wenn das Gesetz des Bundestages einige unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, gehen wir davon aus, dass mindestens die entschiedenen Vorbescheide ihre Gültigkeit behalten. Darüber hinaus prüft man, ab wann keine entsprechenden Anträge mehr gestellt werden dürfen.
Wie bewertet der LEE das Gesetz?
Viele unserer Entscheidungen treffen wir nur, weil wir Planungssicherheit haben. Die Vorbescheide sind eine Möglichkeit, die Planung sowie den Einsatz von Ressourcen sicherer zu machte. Diese gesetzliche Möglichkeit der Bindungswirkung in einzelnen Belangen wurde von Vorhabenträger ergriffen. Diese Sicherheit entfällt nun und das unternehmerische Risiko erhöht sich. Das bedauern wir sehr.
Ein ambitionierter und strukturierter Ausbau der Windenergie ist jedoch auch weiterhin möglich. Gemeinsame Projekte mit den Kommunen, die in deren Verantwortung fallen, sind weiterhin möglich. Gemeinden und Vorhabenträger ziehen hier an einem Strang. Das ist eine Win-Win-Situation: Der Vorhabenträger kann ein Projekt realisieren und trägt damit zur Energiewende bei. Die Gemeinde wird finanziell am Projekt beteiligt, regionale Wertschöpfungsketten entstehen und die neue finanzielle Beinfreiheit der Gemeinden helfen allen.
Zudem bedarf es der engagierten Unterstützung der Regionalen Planungsgemeinschaften. Wir alle wollen und brauchen einen rechtswirksamen Regionalplan.