Grünstrom begünstigt Industrie-Ansiedlung

Offshore Plattform Windpark Baltic 2, © Jan Pauls

Grünstrom begünstigt Industrie-Ansiedlung

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien lockt Investoren nach Brandenburg. Das schafft mehr Arbeitsplätze und einen wachsenden Bedarf an grünem Strom, Wasserstoff und Netzausbau. Das ist das Ergebnis einer Studie des Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz.

Viel grüner Strom, freie Flächen und Förderprogramme – diese Kombination ist attraktiv für industrielle Investoren. Und Brandenburg hat sie zu bieten. Autobauer Tesla ist schon da und verspricht bis zu 12.000 neue Arbeitsplätze. Auch weitere Tech-Unternehmen wollen investieren. Gleichzeitig hat sich das Land das Ziel gesetzt, 2045 klimaneutral zu sein.

Die Verfügbarkeit von ausreichend grünem Strom wird somit zu einem immer wichtigeren Standortfaktor bei Industrieansiedlungen. Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, zuständig für die Höchstspannungsnetze im Norden und Osten Deutschlands, hat deshalb eine Studie erstellen lassen, um den künftigen Strom- und Wasserstoffbedarf in seinem Netzgebiet besser prognostizieren zu können. Und dabei wird eines schnell klar: Die Nachfrage nach grünem Strom und grünem Wasserstoff wird erheblich steigen, vor allem in der Industrie.

Strom bis 2030: Das Berliner Umland braucht viel grüne Energie

Für Unternehmens-Neuansiedlungen, die klimaneutral produzieren wollen, sind laut Studie der Süden Brandenburgs entlang der Verkehrsachse von Berlin nach Cottbus besonders attraktiv. Dort werde die Nachfrage nach grünem Strom deutlich wachsen: Bis 2030 rechnen die Studienautoren mit einem Strombedarf in Brandenburg von 25 TWh Strom im Jahr. Das wären rund 19 Prozent des Gesamtverbrauchs im 50Hertz-Netzgebiet, bisher sind es nur 16 Prozent.

„Der zusätzliche Strombedarf entsteht durch schon heute bekannte industrielle Neuansiedlungen wie Tesla und Rechenzentren von Microsoft Azure, Amazon und Google, aber auch durch die Dekarbonisierung des Verkehrssektors“, erklärt Kerstin Maria Rippel, Leiterin Kommunikation & Politik bei 50Hertz. „Wir gehen davon aus, dass der Großraum Berlin-Brandenburg 2030 rund 17 Terawattstunden (TWh) Strom mehr braucht als heute.“ Insgesamt rechnet 50Hertz 2030 in seinem Netzgebiet mit einem Strombedarf von bis zu 140 TWh – das sind 40 Prozent mehr als heute.

Schon jetzt ist der Anteil an Grünstrom im Netz von 50Hertz hoch: Im wind- und sonnenreichen ersten Quartal 2022 lag er bei rund 70 Prozent. „Voraussetzung, um diesen riesigen Strom- und Wasserstoffbedarf zu decken, ist aber, dass Politik, Behörden und Infrastrukturunternehmen gemeinsam und konsequent an einem Strang ziehen und bestehende Hindernisse für schnellere Genehmigungsverfahren aus dem Weg geräumt werden“, betont Rippel.

Mehr Tempo ist beim Leitungsbau gefragt

Es gibt noch eine weitere Herausforderung: Auch beim Ausbau der Transportnetze hapert es am Tempo. Nach dem derzeit geltenden Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) und des von der Bundesnetzagentur genehmigten Netzentwicklungsplans 2035 muss allein 50Hertz bis Mitte der 2030er Jahre rund 2.000 Kilometer neue Freileitungen oder Erdkabel bauen beziehungsweise bestehende Leitungen optimieren oder verstärken. Hinzu kommen die Netzanbindungen für die Offshore-Windparks.

„Wir werden unsere ehrgeizigen Klimaschutzziele nur erreichen, wenn wir neben dem Ausbau der Erneuerbaren auch den Ausbau der zum Transport des grünen Stroms notwendigen Netzinfrastruktur deutlich beschleunigen.“, so Kerstin Maria Rippel. „Darin liegt auch eine riesige Chance für die Metropolregion Berliner-Brandenburg und die anderen Länder unseres Netzgebietes. Denn die Verfügbarkeit von grünem Strom wird künftig ganz wesentlich die Standortfrage bei Industrieunternehmen bestimmen.“

Dafür sei notwendig, die Genehmigungsprozesse aber effizienter umzusetzen, fordert Rippel. Neben einer Vereinfachung des Verfahrens bedeute das vor allem auch ausreichend Personal in den Genehmigungsbehörden, den Einsatz externer Projektmanager und eine Reduzierung des Erarbeitungs- und Prüfaufwands durch einheitliche Anforderungen, zum Beispiel im Naturschutz.

Wasserstoff: Ab 2030 explodiert der Bedarf

Doch nicht nur der Strombedarf wächst, auch mehr grüner Wasserstoff wird benötigt, ermittelte die Studie. Bis 2030 benötigt zunächst das mitteldeutsche Chemiedreieck in Sachsen-Anhalt rund 7 TWh, um die für viele chemische Prozesse erforderlichen hohen Temperaturen zu erzeugen. Um diesen Wasserstoff zu produzieren, sind 2 GW Elektrolysekapazität nötig, die 10 TWh Strom verbrauchen.

Ab 2030 steigt der Bedarf dann massiv an. Die 50Hertz-Studie kommt zum Ergebnis, dass im gesamten Netzgebiet 2035 gut 26 TWh grüner Wasserstoff benötigt werden, 2040 sogar fast 47 TWh. Ein großer Teil davon werde weiterhin in der Industrie verbraucht, aber auch Schwerlastverkehr und Wärmenetze in Ballungsgebieten werde zusätzlichen Wasserstoff benötigen.

Klimaneutralität als eine große Chance für Ostdeutschland

Unterm Strich sei die Energiewende eine große Chance für Ostdeutschland und insbesondere Brandenburg: „Die Region – aber auch ganz Ostdeutschland – punktet mit der Verfügbarkeit von Flächen, Förderprogrammen und grünem Strom. Sie ist prädestiniert für industrielle Neuansiedlungen”, sagt Rippel. An 50Hertz soll es nicht scheitern: „Unser Ziel bei 50Hertz heißt: 100 Prozent bis 2032 – bis dahin wollen wir über das Jahr gerechnet 100 Prozent Erneuerbare Energie in unsere Netze integrieren. Denn als Übertragungsnetzbetreiber sehen wir uns in der Verantwortung.

Stromleitung, © Olivier Peeters

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